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Channel: Emilio's Blog: Living with historical recordings (mainly Opera and classical)
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Wie ich meine Schellacks überspiele / How I transfer my shellack records

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Dies soll kein Kursus für das Überspielen von Schellackplatten auf digitale Medien werden, aber da ich hier einige selbstüberspielte Aufnahmen veröffentlicht habe (z.B: Ernst Wolff oder Hermann Weil), die anderweitig nicht ohne weiteres zu bekommen sind, möchte ich hier ein paar Angaben machen, wie ich die Aufnahmen technisch behandle.

Ich benutze einen Reloop Disco-Plattenspieler. Seitdem die DJs das scratching und das Benutzen von echten Vinyl-Platten wiederentdeckt haben, gibt es, anders als noch vor 10 Jahren, eine Fülle von technisch sehr robusten Schallplattenspielern, die über die Einstellung 78 UpM verfügen und zudem starke Motoren haben, die innerhalb einer Sekunde die Solldrehzahl erreichen und sehr exakt einhalten. Ich benutze einen RELOOP RP-5000, aber es gibt auch andere ähnliche sehr gut geeignete Plattenspieler. Die Zeiten, wo man als Sammler versuchen musste, einen alten LENCO oder Dual-Plattenspieler wieder mühsam ans Laufen zu bekommen, um einen Plattenspieler mit 78 UpM zu bekommen, sind seit der Discowelle zum Glück vorbei.

Plattenspieler für 78 UpM


Schwieriger ist es schon, eine passende Nadel zu finden. Verschiedene Plattenfabrikate brauchen verschiedene Nadeldicken, um optimal abgetastet zu werden. Als Faustregel kann man sagen, dass eine Abtastspitze für Schellacks ungefähr 4x dicker ist als für LPs. Für das Standardsystem Shure M 75 gibt (oder gab) es solche Nadeleinschübe zu kaufen. Ich besitze zwei dieser Systeme, die ich abwechselnd benutze. Die Nadeleinschübe habe ich schon vor Jahren bekommen. Ich weiss nicht, ob es sie noch zu kaufen gibt, aber neulich fand ich im Internet auch von anderen Fabrikaten wie z.B. Orthofon Abtastnadeln für Schellackplatten.

SHURE M 75 für Schellacks



Da es sich um moderne Magnetsysteme handelt, braucht es eine Phono-Vorverstärkung. Dafür wird der Plattenspieler bei mir in einen HiFi-Verstärker mit Phono-Eingang (und damit einem eingebauten Vorverstärker) angeschlossen. Über einen Tonband-Ausgang wird das Signal dann zurück zur Soundkarte des Computers geführt und dort aufgenommen. Ich benutze zum Aufnehmen "Audiorecorder for free" von Softonic. Früher habe ich am liebsten mit Wavelab lite aufgenommen und auch meine Aufnahmen geschnitten. Dieses Programm ist sehr bequem, unglaublich schnell beim Schneiden und erlaubt sowohl Aufnahmen als auch Filterung und Soundbearbeitung in geringerem Umfang. Leider läuft es nicht auf Windows 7, weshalb ich es kaum noch benutze. Stattdessen verwende ich WavePurity, das mittlerweile ca. 80 EUR kostet und viel kann. Ein Kauf lohnt sich in meinen Augen auf jeden Fall. Leider ist es realtiv langsam, da es bei jedem Bearbeitungsschritt erst alles wieder speichert, um es bei Bedarf wiederherstellen zu können, und keine echte Stapelverarbeitung von mehreren Dateien erlaubt. Dafür hat es, im Bereich der LPs, eine sehr gute Entrauschung und insgesamt eine gute Entknackung. Diese ist für Knistern und Knacken getrennt einstellbar. Die vorgeschlagenen Standardeinstellungen tuen es meist schon sehr gut.

Ich schneide meine Roh-Aufnahmen so zurecht, dass am Anfang ca. 1 Sekunde Plattenrauschen zu hören ist. Das hat den Vorteil, dass man später noch teuere Programme wie zum Beispiel Diamond Cut einsetzen könnte, die einen "Rausch-Fingerabdruck" nehmen können. Das Programm braucht etwa ein 1 Sekunden langes Stück Rauschen und kann dann daraus eine Filtereinstellung errechnen und anbieten, die speziell auf diese Rauschen zugeschnitten ist. Das Programm kostet aber 199,- EUR, und ich besitze es nicht. Außerdem halte ich persönlich nicht viel von Rauschunterdrückung bei Schellackplatten (dazu weiter unten mehr).

Am Ende meiner Aufnahmen lasse ich auch noch ein Stück Plattenrauschen übrig. So habe ich schon viele meiner Schellackplatten digital gespeichert. Neuerdings füge ich auch noch 3 Sekunden Stille an die Aufnahmen an, da ich in meinem Blog ja alles als MP3-Dateien anbiete. Bei einer gebrannnten CD kann man im Brennprogramm einstellen, wieviel Sekunden Pause zwischen den Stücken sein sollen. Bei MP3s folgen die Stücke beim Abspielen ohne Pause aufeinander, was oft störend ist. Deshalb arbeite ich die Pause jetzt direkt in die Wavedateien ein, um später auch bei MP3s Abstände zwischen den Stücken zu haben.


Wenn die Rohdatei auf diese Art fertig ist, wird diese als Master gespeichert. Anschliessend entknacke ich die Datei mit WavePurity. Ausserdem entferne ich die tiefen Frequenzen unter 40 Hz, die meist vom Plattenspieler stammen ("Rumpelfilter"). Weitere Frequenzbeeinflussungen oder Filterungen nehme ich nicht vor. Auf diese Weise kann jeder, der möchte oder bessere und teurere Programme als ich besitzt, die Aufnahmen selbst noch verbessern oder noch einmal für sich bearbeiten. Eine Frequenzfilterung verbessert manchmal subjektiv die Klangqualität, ist aber immer "Geschmackssache", und ich möchte möglichst "reine" Aufnahmen zur Verfügung stellen. Nach meiner Einschätzung verbessert ein Entfernen der vielen tausend kleinen Knacker und des "Prasselns" mancher Aufnahmen (wie ich es vornehme) das subjektive Klangerlebnis deutlich und lässt die Aufnahmen besser hervortreten, ohne wichtiges wegzunehmen. Dabei bleibt natürlich ein Restrauschen, das ich gerne als "original" in Kauf nehme. Alte Fotos von vor 150 Jahren sehen, digital bearbeitet ohne Gilb und Kratzer, auch sehr unnatürlich aus! Das beste Rezept für eine gute und befriedigende Überspielung ist eine möglichst gut erhaltenen Aufnahme, die mit einer geeigneten Nadel und der richtigen Geschwindigkeit überspielt wurde.

Eine Entrauschung der Aufnahmen per Programm bringt bei sehr leichtem Rauschen wie bei modernen LPs eine Verbesserung der Aufnahme. Bei Schellackplatten mit starkem Rauschen führt sie oft zu unnatürlichem Klang (Unterwasser-Sound, Wahwah-Effekt) und Artefakten (Blubbern, Rumpeln).

Manche Aufnahmen laufen mit andern Geschwindigkeiten als 78 UpM. Besonders frühe Aufnahmen laufen oft wesentlich langsamer oder schneller. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt. Ich überspiele zu Archivzwecken grundsätzlich alle Aufnahmen mit 78 UpM. Ein Programm wie WavePurity kann die Geschwindigkeit auf rechnerischen Wege in jede Richtung beliebig verändern. So habe ich die Hermann Weil-Aufnahmen auf VOX, die mit 80 Umdrehungen laufen, nach dem Entknacken noch von 78 auf 80 UpM umrechnen lassen, bevor ich sie hier veröffentlicht habe. Bei anderen Aufnahmen, wo ich mir über die Geschwindigkeit unsicher bin, kann ich mehrere Versionen erstellen und sie Leuten vorspielen, die ein absolutes Gehör haben. (Das habe ich jetzt bei Hermann Weil nicht getan, aber ich hoffe trotzdem, dass es so stimmt, wie ich es gemacht habe.) Nach den hier gegebenen Informationen kann auch jeder sich die Aufnahmen so zurechtmachen, wie es es für richtig empfindet.

Ich nehme meine Schallplatten in Stereo auf (auch wenn es natürlich Mono-Aufnahmen sind). Das hat den Vorteil, dass man zwei unabhängige Kanäle, die der rechten und linken Rillenflanke entsprechen, erhält. Wenn eine Seite der Rille stärker abgenutzt ist als die andere (Grammophone hatten kein Anti-skating), kann man immer noch eine 2-Kanal Mono-Aufnahme aus dem besseren Kanal daraus machen, wenn man möchte, oder Beschädigungen, die nur auf einem Kanal zu hören sind, mit dem anderen Kanal ausflicken.

Nach dem Entknacken schaue ich mir noch die Lautstärke an. Ich lasse mit dem Programm die beiden Kanäle auf gleiche relative Lautstärke setzen ("Lautstärke recht und links angleichen") und dann noch die Datei auf ein einheitliches Lautstärkeniveau setzen. Dabei wird die lauteste Stelle auf einen wählbaren Maximalwert gesetzt. Ich nehme meist 92% oder 95%. Dies ist nicht Vollauslastung, aber nahe am Maximalwert und hat sich für mich bewährt. Natürlich werden Aufnahmen, die insgesamt wenig laute Stellen haben, dabei insgesamt lauter wiedergegeben als solche mit dynamischen Spitzen, in der Praxis kommt dies aber über die verschiedenen Sorten von Aufnahmen so hin, dass alle Aufnahmen in etwa gleich laut wirken.

Das wichtigste Prinzip ist für mich, dass die Aufnahmen möglichst originalgetreu und rein wiedergegeben werden, so dass für nachfolgende (Bearbeiter-)Generationen eine Aufnahme zur Verfügung gestellt wird, die möglichst viele unverfälschte Informationen der Original-Aufnahme enthält und mit der man später noch weiter arbeiten kann, wenn das gewünscht wird. Wer weiss, was in 10 oder 50 Jahren die Soundrestaurierung am Computer kann? Auch die Vorstellung, wie eine alte Aufnahme klingen sollte, ist letztendlich zeitabhängig, und ich bin als Sammler nur ein Bewahrer für kommende Generationen.

Hier noch einmal zusammengefasst die Arbeitsschritte:

Aufnahme mit Vor- und Nachspann (unbearbeitet als .wav-Datei gespeichert)
Entknacken ("Knistern und Knacken entfernen")
Rumpelfilter
evtl. Geschwindigkeit umrechnen
Anhängen von 3 Sekunden Stille
Lautstärke der beiden Kanäle angleichen
Lautstärke auf einheitliches Niveau anheben ("normalisieren")
Speichern der bearbeiteten Datei als .wav-Datei
Umwandeln in MP3-Datei
MP3-Datei korrekt benennen
MP3-Dateien in Ordner sammeln, den Ordner editieren, als .zip-Ordner packen und hochladen

Man sieht, Blogs sind eine zeitaufwändige Sache...

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And now I try to write a summary in English...

Above I want to make transparent, how I "manipulate" the schellack records, when I transfer them for my archive and my blog. It is my aim to leave the recordings as pure as possible, even if there is still some noise in them. But that is the way that they are, and some patina belongs to the experience of listening to recordings from 100 years ago or so. If someone dooesn't like this, he can work with the recordings in his own way and maybe create an own version of the recording with his sound programs and his possibilities. I think that collectors are preservers for following generations, so that 200 years later people can still listen to these recordings, even if the original records meanwhile are rotten und unusable (just as a thought - I know these records are very stable and will live longer than me...). A heavily filtered recording shows my taste and my idea of the recordings at the time when I have made it, but maybe later people find it wrong and just want it different. So it is better to leave the recording mostly unchanged (with a few exeptions, but that again is my decision and my idea of the recording - there is no really "neutral" sound playback!).

I am using WavePurity as a sound cleaning - and editing program. These are my steps of working with the recordings:

Recording the record at 78 rpm with a correct stylus, cutting the recording with a little intro of "just background noise" (ca. 1 second) and an outro of about 2 seconds. This recording I save as .wav-file for archivation and eventually further different processing.

Declicking with Wave Purity (crackling and popping)

Rumble Filter (artefacts of the record player, cut off-frequenzy 40 Hz)


Eventually changing the speed of the recording via program when you know that it is not 78 - for example Vox recordings (Hermann Weil) are known to be recorded with 80 rpm. WavePurity can change this electronically.

Adding 3 seconds of silence at the end of the recording (because MP3 recordings have no pauses between the tracks when you play them)

Align the volume of the two channels (I record in stereo because this reflects the right and the left flank of the groove which often are differently worn. This way you have the material to repair dropouts in one channel with the other or have the possibility to use only one channel if the other is more worn. Gramophones didn't have anti-scating like modern record players.

Raise the maximum volume of the two channels to a degree near of the full volume (92% to 95%). So each track has about the same volume when you are listening to a group of recordings.

This ready processed .wav-file I save again as a second file of my recorded version. It is now ready to listen to and normally sounds better than the original record with its thousands of crackles which now are removed.

Changing the .wav-file to MP3 (I usually take 192 KB/sec which seems enough for me to reproduce the recording), naming ("tagging") of the MP3-file, store them in a folder, edit the folder, pack it as a .zip or .rar-file and then it is ready for upload.

You see, making a blog takes much time...

How do my fellow bloggers treat their recordings? Which programs do you use? I would like to read something about it. Just write a comment or write about it in your blog !! 



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