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Channel: Emilio's Blog: Living with historical recordings (mainly Opera and classical)
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Vor 99 Jahren / 99 years ago: Blumentag in Dresden

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Carl Perron als Eugen Onegin 1913

Letztens erstand ich eine Sängerkarte, die ich zuerst nicht identifizieren konnte, da mir der Sänger zwar bekannt vorkam, ich ihn aber nicht einordnen konnte. Bei näherem Hinsehen handelte es sich um eine Karte des Baritons Carl Perron. Sie enthält (aufgedruckt, nicht von Hand) eine Notenzeile mit einem nicht ganz zu entziffernden Text, der mit am Ende mit "Onegin" bezeichnet ist. Mit etwas Mühe konnte ich das Autogramm entziffern: Carl Perron 1913. Im Sängerlexikon fand ich über den Sänger:



Perron, Karl, Baß-Bariton, * 3.6.1858 Frankenthal (Pfalz), † 15.7.1928 Dresden; sein eigentlicher Name war Karl Pergamenter. Sein Vater war ein bekannter Kunsthändler und Numismatiker. Er war Schüler der großen Gesangpädagogen Julius Hey und Julius Stockhausen; später studierte er noch Darstellungskunst bei Ernst von Possart. 1880 erfolgte sein Debüt als Konzertsänger, und in den folgenden vier Jahren trat er ausschließlich im Konzertsaal auf. 1884 kam es zu seinem Bühnendebüt am Opernhaus von Leipzig in der Partie des Wolfram im »Tannhäuser«. Bis 1891 blieb er Mitglied dieses Hauses. 1892 folgte er einem Ruf an die Hofoper von Dresden, und hier erreichte seine Karriere ihren Höhepunkt. Bis 1913 war er in der Glanzzeit, die die Dresdner Oper damals erlebte, einer der prominentesten und vom Publikum am meisten geschätzten Künstler dieses Hauses. Musikhistorisch von großer Bedeutung ist sein Mitwirken in den Uraufführungen der Opern von Richard Strauss in Dresden: am 9.12.1905 war er der Jochanaan in der Uraufführung von »Salome« zusammen mit Marie Wittich, Irene von Chavanne und Carl Burrian. Am 25.1.1909 kreierte er den Orest in der Uraufführung der Richard Strauss-Oper »Elektra« mit Annie Krull, Ernestine Schumann-Heink und Margarete Siems zusammen. In der glanzvollen Uraufführung des »Rosenkavaliers« am 26.1.1911 in Dresden hatte er in der Rolle des Ochs auf Lerchenau wesentlichen Anteil an dem großen Erfolg der Aufführung (zusammen mit Margarethe Siems, Minnie Nast und Eva Plaschke- von der Osten). Weitere Uraufführungen, an denen er in Dresden teilnahm waren: am 10.3.1892 »Herrat« von Felix Draeseke, am 17.2.1897 »Haschisch« von Oscar von Chelius, am 29.1.1898 »Kirke« (aus der Tetralogie »Homerische Welt«) von August Bungert, am 10.1.1903 »Alpenkönig und Menschenfeind« von Leo Blech, am 8.12.1906 »Moloch« von Max von Schillings. Er sang auch in der Dresdner Premiere von Tschaikowskys »Eugen Onegin« die Titelrolle. Man bewunderte ihn jedoch vor allem wegen seiner Wagner-Heroen und wegen seiner Gestaltung des Titelhelden in Mozarts »Don Giovanni«. In den Jahren 1889-1904 war er bei den Festspielen von Bayreuth anzutreffen; hier trat er 1889, 1897, 1902 und 1904 als Amfortas im »Parsifal«, 1897-98 als Wotan im Ring-Zyklus, und 1902 als Gunther in der »Götterdämmerung« auf. 1894 gastierte er beim Amsterdamer Wagner-Verein in der holländischen Erstaufführung der »Walküre« in der Partie des Wotan. 1896 und 1897 trat er an der Berliner Hofoper, 1895 und 1905 an der Hofoper von München, 1899 am Opernhaus von Riga, 1907 am Deutschen Theater Prag als Gast auf. Bis 1924 war er noch gelegentlich in Dresden zu hören, zuletzt nurmehr als Konzertsänger. Sein Neffe und Schüler Fritz Perron wurde als Heldentenor bekannt.

Von der Stimme des großen Sängers, den Richard Strauss »einen erstklassigen Sänger« nannte, sind leider keine Schallplattenaufnahmen vorhanden.
[Lexikon: Perron, Karl. Kutsch/Riemens: Sängerlexikon, S. 18927 (vgl. Sängerlex. Bd. 4, S. 2704 ff.) (c) Verlag K.G. Saur]


Tja, da ist der Sammler machtlos: Den Uraufführungssänger des Graf Ochs, des Orest und des Jochanaan hätte man doch zu gerne einmal gehört. Und dann der endgültige Satz "sind leider keine Schallplatttenaufnahmen vorhanden..." Zwar gab es solche Aussagen schon über andere Sänger, von denen dann doch noch einzelne Platten oder Testpressungen auftauchten, aber hier ist es wohl endgültig: leider nichts, was ich zum Download anbieten könnte.

Historisch interessant war für mich die Rückseite der Karte:

Rückseite der Karte mit der Aufschrift "Blumentag Dresden 31.Mai 1913"

Was ist wohl ein Blumentag? Sogar hier weiss Wikipedia weiter: 

Blumentage fanden in verschiedenen deutschen Städten in den Jahren ab 1910 bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs statt. Am jeweiligen Tag wurde eine bestimmte Blume als Leitmotiv erwählt und für wohltätige Zwecke Kunstblumen gegen Geldspenden verteilt. Die Straßen wurden mit den entsprechenden Blumen dekoriert, und es wurden Speisen und Getränke verkauft.


Es wurden also zu wohltätigen Zwecken Blumen und Karten verkauft, um z.B. für das verbesserungswürdige Gesundheitswesen Geld zu sammeln. Im Internet finden sich ein paar schöne Beispiele:

Basler Blumentag 1910



Blumentag Innsbruck 1912

Auch nach dem ersten Weltkrieg gab es in Österreich noch Blumentage:


Steiermark 1919


Carl Perron muss wirklich in Dresden ein bekannte Sänger gewesen sein, dass sein Konterfei gewählt wurde, eine Karte, die ja möglichst begehrenswert und viel verkauft sein sollte, zu schmücken.

***

Today I present you a picture of the singer Carl Perron. Although he was a very important singer, who created many roles of Richard Strauss operas like Graf Ochs (Rosenkavalier), Orest (Elektra) and Jochanaan (Salome), he did not leave any recordings of his voice and art. This is a pity, and so there is no download for you today. I also commemorate to the "Blumentage", who were popular in the years between 1910 and 1919 for fundraising and collecting donations for different purposes. Postcards and flowers were sold to get money for ill children or wounded soldiers. Carl Perron must have been very popular so that a card with his role of Eugen Onegin, which is even mentioned in the Kutsch/Riemens "Sängerlexikon" and was played in Dresden 1913, could reach high quantities to be sold. Maybe Carl Perron's Onegin was the "talk of the town". Dresden loved its opera just like the Vienneses did love their opera house. So it is even more a shame that the singer refused to make recordings - I cannot imagine that no record company could be found who would have interest to record an artist like that.


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