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Channel: Emilio's Blog: Living with historical recordings (mainly Opera and classical)
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Der Tenor John Gläser (1888 -1968) - Ein Portrait

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John Gläser 1940, Uni.Bibliothek Frankfurt, Sammlung Manskopf

Der Tenor John (eigentlich Hans) Gläser blieb während der Hauptzeit seines Wirkens dem Opernhaus in  Frankfurt am Main verbunden, dem er von 1917 bis 1942 angehörte. Zwar trat er auch in Berlin, München, Hamburg und Wien auf und gastierte 1926 als Bacchus in "Ariadne auf Naxos" bei den Salzburger Festspielen, doch strebte er keine internationale Karriere an und genoss des lokalen Erfolg bei seinen Frankfurtern. Er war im Leben ein eher bescheidener und unauffälliger Mann, der als Sänger oft erstaunte. Er war vor allem im italienischen Fach bewundert, sang aber auch die leichteren Wagner-Rollen. Seine Stimme erinnert mich etwas an Tino Pattiera, aber während Pattiera die Töne zu einem gewaltigen Legatostrom verschleift, singt Gläser sehr artikuliert und textverständlich. Dies adelt seinen Wagnergesang (z.B. die Gralserzählung), aber auch Stücke, wo man diese Klarheit nicht erwarten würde, wie seine Cavalleria-Siciliana (Tr. 15), wo die enorme Textverständlichkeit angenehm überrascht.

Die Anzahl seiner Aufnahmen auf Schallplatten ist sehr überschaubar. In seiner Anfangszeit ca. 1919 machte er einige Aufnahmen auf Grammophon, während er später zwischen 1926 und 1932 bei Parlophon aufnahm, Unter den Aufnahmen dort sind neben den hier aufgeführten Aufnahmen noch einige wenige Operntitel sowie eine Handvoll Rheinlieder. Da die frühen Parlophon-Aufnahmen schnell zum Verschmutzen und Knistern neigten, ist es manchmal schwer, gut erhaltene Aufnahmen von John Gläser zu finden. Die hier präsentierten Aufnahmen stammen hauptsächlich von einer Preiser-LP und von eigenen Schellacks.





John Gläser (Tenor) - Ein Portrait


 1.  Meistersinger von Nürnberg: Fanget an! (Wagner)   
       Parl. P-9352.II (2-21051), rec. 2.XI.1928
  2.  Meistersinger von Nürnberg: Am stillen Herd  (Wagner)
       Parl. P.9513-II (2-21694-2), rec. 30.IV.1930
  3.  Meistersinger von Nürnberg: Morgendlich leuchtend (Wagner)
       Parl. P.9513-I (2-21443), rec. 25.V.1929
  4.  Der Fliegende Holländer: Willst jenes Tags (Wagner)
        Parl. P.9352-I (2-21047), rec. 1.XI.1928
  5.  Lohengrin: In fernem Land (Wagner)   
        Gram. unpub. (1442 s), 1919
  6.  Margarethe: Es ist schon spät + EMMY BETTENDORF (Gounod)
        Parl. P.9549 (2-21719/20), rec. 30.V.1930
  7.  Alessandro Stradella: Wie freundlich strahlt der Tag (Flotow)
        Parl. P.9093-I (2-20128), rec. 8.II.1927
  8.  Mignon: Wie ihre Unschuld auch (Thomas)
       Gram. 65493 (1439 s), 1919
  9.  Mignon: Leb wohl, Mignon, wir scheiden (Thomas)
       Parl. P.9084-I (2-20127), rec. 8.II.1927
10.  Freischütz: Nein, länger trag ich nicht die Qualen (v. Weber)
       Parl. P.9353 (2-20571/72, rec. 17.I.1928
11.  Rigoletto: O wie so trügerisch (Verdi)
       Gram. unpub. (14090 r)
12.  Rigoletto: Freundlich blickt ich (Verdi)
       Gram. unpub. (14089 r)
13.  Troubadour: Hab' Erbarmen! + META SEINEMEYER (Verdi)
       Parl. P. 9815-I (2-20576-2), rec. 19.I.1928
14.  Othello: Jeder Knabe kann mein Schwert mir entreissen (Verdi)
       Parl. P.9125-I (2-20251), rec. 3.V.1927
15.  Cavalleria Rusticana: O Lola (Mascagni)
       Parl. P.9084-II (2-20129), rec. 8.II.1927
16.  Die Afrikanerin: Land so wunderbar (Meyerbeer)
       Parl. P.9147-II (2-20253), rec. 3.V.1927
17.  Mattinata (Leoncavallo)
       Parl. P.9125-II (2-20252), rec. 3.V.1927
18.  Wanderlied (Schumann)
        Parl. B 11001-I (33796), rec. 7.II.1927
19.  Der Lenz (Hildach)
        Parl. B 11001-II (33797), rec. 7.II.1927


with Orchestra (Members of Staatsopern-Orchester Berlin), Conductors:
Frieder Weissmann: 1-4, 6, 13-14, 16-17 
Otto Dobrindt: 7, 9, 15, 18-19
unknown, with Grammophon-Orchester: 5, 8, 11-12

John Gläser ca. 1919, Sammlung Manskopf, Uni-Bibliothek Frankfurt


1942, zum 25jährigen Bühnenjubiläum in Frankfurt, beendete John Gläser seine Opernlaufbahn mit einer Vorstellung des "Bajazzo" und arbeitete fortan als Gesangspädagoge. Anlässlich dieses Abschieds erschien ein Artikel im Frankfurter Opern-Almanach, der die Qualitäten und Besonderheiten von John Gläser gut zusammenfasst.


DER TENOR JOHN GLÄSER
Zu seinem Frankfurter Bühnenjubiläum
Von Dr. Karl Holl

Der Ruf und die Leistungsfähigkeit eines Theaters werden nicht nur durch diejenigen künstlerischen Persönlichkeiten bestimmt, die jeweils gerade in der Vollkraft ihres Wirkens stehen, sondern auch durch diejenigen, die in der Vergangenheit als langjährige Mitglieder des Hause einen hohen Maßstab aufgerichtet haben, der von ihnen an die nach folgende Generation der Kollegen wie des Publikums weitergegeben wird. Die Stammgäste der Frankfurter Bühnen können sich das  Ensemble des  Opernhauses kaum ohne den Tenor John Gläser vor stellen.  So lange steht seine kraftvolle Erscheinung schon auf diese Bühne;   so   lange   durchdringt   seine geschmeidige lyrisch-heldische Stimme schon den weiten, akustisch ungemein günstigen Raum dieses Theaters. Ist Gläser am Ende gar ein „Frankfurter Kind“? Hat er nicht seine ganze bisherige Laufbahn an dieser, unserer Musikbühne durchmessen? Man könnte das annehmen, aber es trifft nicht zu. Unser John Gläser zahlt zu jenen ,,Eingeplackten", die man in Frankfurt sonst nur mit allerlei Vorbehalten anerkennt.  Er ist einst von weither an der Main gekommen. Als er im Herbst 1917 nach Frankfurt übersiedelte, hatte er nach einem früheren Debüt in Ulm sich in sechsjährigem Aufstieg am Stadttheater Breslau schon die Sporen - das heißt aber auf diesem Gebiet den ersten Lorbeer - verdient. Seitdem ist er von unserer Stadt und sie von ihm nicht mehr losgekommen. Am 1. September 1942 kann Gläser auf ein rund fünfundzwanzigjähriges Wirken am Frank­furter Opernhaus zurückblicken. Das macht uns erst recht bewußt, wie sehr er mit dem Frankfurter Kulturleben verwachsen ist und wie fruchtbar seine freiwillige Bindung an unsere Stadt, sagen wir jetzt ruhig: seine Treue zu ihr sich  für beide  Teile  ausgewirkt hat.  Die älteren Theaterbesucher wissen genau, was wir ihm zu danken haben. Damit auch die jüngeren es erfahren, ist es wohl gerade hier, im Jahrbuch der Städtischen Bühnen, im Frankfurter Theater-Almanach, angebracht, die Spur seines Wesens und Wirkens in großen Zügen aufzuzeichnen.

Dieser seit langem allseits beliebte, von den Frankfurtern sozusagen adoptierte Opernsänger ist von Haus aus ein waschechter Berliner. Im altberühmten Hof- und Domchor der Reichshauptstadt ist die schöne Naturstimme des Knaben Hans Gläser zuerst zur Geltung gekommen. An der Hochschule für Musik in Charlottenburg ist sie in den Jahren der Reife künstlerisch geschult und ausgebildet worden. In Mailand hat sie den letzten Schliff empfangen: jene letzte Beweglichkeit der Technik und jene letzte Rundung, Farbigkeit und dynamische Wandlungsfähig­keit des Klanges, wie sie wohl nur im Mutterlande des Belcanto von guten Lehrmeistern und im Banne großer Vorbilder erworben werden kann. Wer den Menschen Gläser näher kennt, wird auch heute noch an seiner knappen unsentimentalen, etwas kantigen und doch auch humorvoll-witzigen Art die Berliner Prägung wahrnehmen. Wer den Sänger Gläser hört und seinen Aufstieg miterlebt hat, muß, wenn er gute Ohren hat und überhaupt für Musik empfänglich ist, gerade in ihm einen jener Glücksfälle erkennen, in welchen die Gnade der Natur, ein geeig­neter Studiengang und gewiß auch ein gutes Maß von Fleiß und Selbst­kritik einer „nordischen" Stimme auch all jene Vorzüge verliehen haben, die wir an den Stimmen des Südens so sehr bewundern und für die Darstellung ausgesprochener Sing-Opern als wichtigstes Mittel der Wirkung benötigen. Der mit einem ungemein biegsamen, blutwarm an­sprechenden Stimminstrument begabte Tenor Gläser ist auch ein viel­seitiger und fesselnder Darsteller; gewiß kein wendiger und eleganter im üblichen Sinn dieser Worte, aber einer, der, als grundmusikalischer Mensch aus dem vollen schöpfend, mit starkem Instinkt für die lyrischen wie für die dramatischen Spannungswerte das, was er singend erlebt und auszudrücken hat, auch schlicht und eindringlich verkörpert. Nie­mals wirkt Gläser, wie so manche andere Vertreter seines bekannt an­spruchsvollen Rollenfaches, nur als ein kostümierter Kehlkopfvirtuose. Immer stellt er einen singenden Menschen aus Fleisch und Blut auf die Bühne. Und wie weit ist der Ausdrucksbereich dieses empfindsamen, aber nie weichlich, vielmehr stets kraftvoll-männlich gestaltenden Belcantisten! Er reicht von der Operette und Spiel-Oper über die dra­matisch betonte Sing-Oper und das veristische Melodram bis zum aus­gesprochenen Musik-Drama.

Die seltene Eigenart und Bildung der Stimme Glasers, aber wohl auch seine persönliche Veranlagung und Neigung zu spontanem Gefühlsaus­druck wies ihm als Hauptfeld seines Wirkens und seines Erfolges die großen Tenorpartien der italienischen Oper zu. Wie tief ist er in die Sphäre Verdis eingedrungen! Wir denken an den Herzog in „Rigoletto", den Manrico im „Troubadour, den Alfred in „Traviata, den Richard im  „Maskenball  und vor  allem  auch  an  seine  Glanzleistungen als Radames in „Aidau und als Othello in der Oper gleichen Namens. Wie treffend diente er der derberen Dramatik Mascagnis und Leoncavallos! Wir nennen seinen Turiddu in „Cavalleria und seinen ergreifenden Canio im „Bajazzo. Wie vorbildlich repräsentiert er sein Fach im Falle Puccini! Wir erinnern an seinen Dick Johnson im „Mädchen aus dem goldenen Westen, an seinen Cavaradossi in „Tosca und an seinen Kalaf in „Turandot. Aber auch der von der italienischen Tradition noch mitbestimmten deutschen Oper Mozarts und den noch stark melo­disch betonten Musikdramen Wagners kam Glasers Wesen und Kön­nen zugute. Sein Oktavio in „Don Giovanni und sein Tamino in der „Zauberflöte,   sein  auch  stimmlich  strahlender  Lohengrin und sein Walter  Stolzing  („Meistersinger)   sind  unvergessen. 

Darüber hinaus hat der singende Darsteller Gläser sich auch in zahlreichen Zwischen­typen des deutschen und des usländischen gesungenen Dramas hervor­ragend bewährt:  als Don Jose in Bizets „Carmen“,  als Giovanni de Salviati   (Laienbruder)   in   Schillings'   „Mona   Lisa,   als   Bacchus in „Ariadnevon Richard Strauß, als Hermann in Tschaikowskys „Pique-Dame bis hin zu so seltenen Charaktertypen wie dem falschen Dimitri in Mussorgskys „Boris Godunow, dem Sly in Wolf-Ferraris tragischer Oper und dem weltfernen Palestrina in der Legende von Pfitzner. Neh­men wir noch hinzu, daß derselbe Bühnensänger mit gleichem Erfolg auch in den bekanntesten Operetten von Johann Strauß, Millöcker und Lehar auftrat, so ergibt sich das Bild einer Leistungskraft, wie sie nur von wenigen erreicht wird.

Das Bleibende in der Flucht all dieser Bühnenerscheinungen, die John Gläser uns nahegebracht hat, ist eine in allen Lagen mühelos anspre­chende, mit metallischem Glanz von Herz zu Herzen dringende Stimme und ein Bühnentemperament, das zwar stets die Schwerkraft eines stäm­migen Körpers und eines zurückhaltenden Wesens überwinden mußte, bis es sich dem Strom der musikalischen Dynamik völlig hingeben konnte, das sich aber in den entscheidenden Situationen mit naturhafter Gewalt zu verströmen vermag und, einmal entzündet, den Hörer un­widerstehlich in seinen Bann zieht. Wie kam es, daß dieser Sänger hohen Ranges und scharf profilierte Darsteller, der sich auf der Bühne neben Battistini, Baklanoff, Barbara Kemp und anderen Größen des Operngesanges wie der Operndarstellung erfolgreich behauptete, dem Frankfurter Ensemble so lange erhalten blieb? Seine Gastspiele in Berlin, Wien, München, Salzburg, in der Schweiz und in Holland sowie die Schallplattenaufnahmen seiner Stimme machten ihn ja weithin be­kannt. Leicht hätte er uns verloren gehen können. Daß er trotzdem nicht „absprang, ist vor allem drei Umständen zu danken. Das Publi­kum schloß ihn in sein Herz; die Intendanten wußten, was sie an ihm hatten, und fesselten ihn durch günstige Verträge; und er selbst fühlte sich „in dem herrlichen Frankfurt, in nächster Nähe des Rheins, außer­ordentlich wohl. Der in Berlin geborene Hans Gläser, der einst nach altem Bühnenbrauch seinem Namen ein romantisches Mäntelchen um­hing, - dieser „John Gläser, ist in Südwestdeutschland wahrhaft hei­misch geworden und hat die besten Jahre seiner Künstlerschaft denen zugute kommen lassen, die ihn seit langem als ihren „Jonny verehren. Fünfundzwanzig Jahre auf ein und derselben Bühne zu wirken, ohne an Beliebtheit einzubüßen, das ist, zumal von einem Sänger, eine Lei­stung, die zugleich imponiert und verpflichtet. Der Frankfurter Tenor John Gläser darf bei diesem Bühnenjubiläum sicher sein, daß ihm auch in den späten Jahren seiner Laufbahn Treue mit Treue vergolten wird.


Aus: Frankfurter Theater Almanach, 25. Jubiläumsausgabe (1941/42)



John Gläser als Bajazzo 1940, Sammlung Manskopf, UB Frankfurt

Above you find a playlist with recordings of John Gläser, a fine tenor who was withheld from an international career by his local attachment to Frankfurt am Main, where he sang for 25 years from 1917 to 1942. Maybe the reason is that he was not a good actor and a bit short and stocky. Nevertheless he and his fine voice were highly estimated in the Italian repertoire and in the lighter Wagner roles. His voice sometimes reminds me to Tino Pattiera, but Gläser has a much finer articulation and clear diction which is sometimes really impressing. His records are seldom seen outside Germany, and they are not very commeon. It is a pity he did not record more opera (even if a few more existing titles are missing here). Instead of this he recorded Rheinlieder (songs from the rhine), which did not sell well either. I would have liked to hear him in more Verdi roles or in a modern opera like " Der Schatzgräber" by Franz Schreker, in which premiere he sang in 1920.
 
I like his singing very much, and his Freischütz aria and the excerpt as Eric from Holländer are among my favourite recordings. Hope you like it, too!

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