Im Jahr 2016 habe ich mir die Bestände der Sächsischen Landes- und Universitäts-Blibliothek in Dresden ("Archiv der Stimmen") gründlich angeschaut und viel heruntergeladen. Mittlerweile kenne ich die Stärken und Schwächen dieses Archives, das ungefähr 18.000 Schellackseiten zum anhören und downloaden anbietet, ziemlich gut. Ein Vorteil ist die Vielfalt: Ich habe über 200 Aufnahmen aus der as-Matrizenserie dort gefunden. Manche sind bekannt, aber es sind auch einige seltene dabei. Der Nachteil ist, dass die Seiten nur als MP3 mit 160 KB/s überspielt sind. Noch schlechter sieht es bei der Sammlung Alfred Seiser aus, die in die Bestände der SLUB übernommen wurde und etwa ein Viertel der Bestände ausmacht. Dort sind die Aufnahmen nur als 64 KB/s MP3 Ein-Kanal-Mono-Datei zu bekommen (entspricht einer Bitrate von 128 kB/s bei Zwei-Kanal-Mono). Das ist etwas anachronistisch und wäre heute viel besser zu machen. Vermutlich hapert es aber sowohl am Personal, d.h. Geld, um die Sammlungen besser zugänglich zumachen, als auch am Knowhow. Bei der Sammlung Seiser sind regelmässig auch KEINE Matrizennummern angegeben, was mich als Sammler natürlich ärgert und den Wert mancher Aufnahme schmälert. Auch bei den anderern Aufnahmen ist meist nur die Katalognummer der Aufnahme angegeben und nicht die Bestellnummer der Platte. Diese muss man sich dann aus den oft schlechten Scans der Plattenetiketten (in niedriger Auflösung!) heraussuchen, wenn sie überhaupt zu entziffern sind.
Aber genug gemeckert: es ist immer noch die umfangreichste frei zugängliche Quelle für historische (Klassik-) Aufnahmen, und als solche möchte ich sie hier nutzen, um in meinem "as-Project" möglichst viele verschiedene Aufnahmen aus der as-Serie zusammen zu stellen.
(NB. Die 43-seitige Diskographie kann man sich
HIER herunterladen! )
Ich beginne mit der Sängerin
Hanna Müller-Rudolph. Wenn man nach ihr im Internet sucht, findet man nur die Information, dass man im Internet keine Informationen über sie findet. Die Lebensdaten sind also nicht bekannt. Ich habe alte Bühnenjahrbücher gewälzt und festgestellt, dass sie zumindest in den Jahren 1925, 1926, 1928 und 1930 in Wiesbaden an der Oper engagiert war. Leider besitze ich keine Wiesbadener Opern-Almanache (falls es überhaupt welche gab), aus denen man mehr entnehmen könnte. Auch kann ich nach den mir zur Verfügung stehenden Büchern sagen, dass sie 1918 noch nicht und 1935 nicht mehr im Bühnenjahrbuch aufgeführt wird. Irgendwann in diesem Zeitraum hat sie also in Wiesbaden gesungen und auch ein paar Plattenseiten aufgenommen. Acht Seiten in der as-Serie sind bekannt, von weiteren Aufnahmen in anderen Serien oder bei anderen Firmen weiß ich nichts. Immerhin kann ich aus meiner Sammlung ein Bild beisteuern.
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Hanna Müller-Rudolph als Pamina |
Als nächstes kommen drei Ensembleaufnahmen, deren wiederkehrende Sänger
Robert Hutt (1878-1942) und
Mafalda Salvatini (1888-1971) sind.
Theodor Scheidl (1888-1959), der noch mehr Aufnahmen in der as-Serie gemacht hat, ist ebenfalls vertreten.
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Mafalda Salvatini in Tiefland, Leiser Nr. 848 |
Dann kommen vier Titel von
Delia Reinhardt (1892-1974). Sie sang von 1916 bis 1923 an der Münchner Oper und von 1924 bis 1939 an der Berliner Staatsoper. Mir als Bildersammler fällt auf, dass sich aus ihrer Münchner Zeit sehr viele Bilder finden, während aus späteren Zeiten die Bilder spärlich werden. Als ich noch Zivildienstleistender war, pflegte ich einmal eine Dame, die in den letzten Jahren des Lebens von Delia Reinhardt deren Haushälterin gewesen war. Sie erzählte mir, dass Delia Reinhardt viel gemalt habe und eine große Anhängerin der Anthroposophie Rudolph Steiners gewesen sei.
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Delia Reinhardt, Privatfoto (?) ohne Verlag |
Der Bariton
Josef Groenen (1885-1959) war nur von 1915 bis 1916 offiziell an der Hofoper in Wien engagiert. 1917 bis 1944 war dann die Staatsoper Hamburg sein Wirkungsmittelpunkt, auch wenn er in den Jahren 1923 bis 1926 oft als Gast in Wien zu hören war. Aus dieser Zeit stammt wohl das Bild.
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Josef Groenen |
Über den Bass-Bariton
Emil Fischer, der in Weimar sang und dort auch lebte, ist (für mich mit meinen Mitteln) nicht viel herauszufinden. Er scheint 1943 als Jude ein Opfer der Nazi-Diktatur geworden zu sein. In der
Thüringer Allgemeinen findet sich ein Artikel von 2016, wo es um die Verlegung von Gedenksteinen für jüdische Opfer geht und Emil Fischer erwähnt wird. Dort heißt es:
"Für Familie Fischer sollen an deren letzter Weimarer Wohnadresse im Hellerweg 26 sieben Steine verlegt werden. Zur Familie gehörten Emil, angesehener Opernsänger am DNT (= Deutsches National-Theater Weimar), seine Frau Ella, ihre gemeinsamen Söhne Peter und Wolf (Peter starb 1934 eines natürlichen Todes) sowie die von Ella in die Ehe eingebrachten Söhne Gerhard und Hans Albrecht Sachs. Die beiden Sachs-Brüder flüchteten Mitte der 30er-Jahre nach Argentinien beziehungsweise in die USA. Emil, Ella und Wolf kamen nach ihrer Deportation am 28. Mai 1943 im Vernichtungslager Sobibór ums Leben."Über
Emmy
(oder, auf den Schallplatten hier:
Emmi)
Leisner schreibt das Sängerlexikon:
Leisner, Emmy, Alt, * 8.8.1885 Flensburg, † 12.1.1958 Flensburg; sie sprang mit 16 Jahren in ihrer Heimatstadt Flensburg bei einem Konzert für eine indisponierte Sängerin ein. Sie studierte dann in Berlin bei Helene Breest und wurde dort durch den berühmten Chordirigenten Hugo Rüdel entdeckt. 1911 gab sie in Berlin ihre ersten Konzerte und Liederabende, die sogleich eine ungewöhnliche Beachtung fanden. Sie sang darauf in Konzerten mit dem Leipziger Thomanerchor unter Karl Straube und hatte ursprünglich vor, eine reine Konzertkarriere zu entwickeln. Man überredete sie jedoch 1912 bei den berühmten Aufführungen unter Jacques-Dalcroze in Hellerau bei Dresden die Titelpartie im »Orpheus« von Gluck zu übernehmen, die sie 1912 mit sensationellem Erfolg zum Vortrag brachte. Darauf schlug sie nun auch eine große Bühnenkarriere ein. An der Berliner Hofoper sang sie 1913 als Antrittsrolle die Dalila in »Samson et Dalila« von Saint-Saëns und wurde danach als Amneris in »Aida« bewundert. Zu den weiteren Partien, die sie an diesem Haus sang, gehörten die Carmen, die Azucena im »Troubadour«, die Nancy in Flotows »Martha« und Aufgaben aus dem Wagner-Repertoire. Sie war 1913-21 an der Berliner Hofoper (seit 1918 Staatsoper Berlin) engagiert und gehörte 1923-25 dem Deutschen Opernhaus Berlin an. Hier wirkte sie 1923 in der Uraufführung der Oper »Holofernes« von E.N. von Reznicek mit. Bei den Festspielen von Bayreuth sang sie 1925 die Erda im Nibelungenring. Im Mittelpunkt ihrer künstlerischen Arbeit stand jedoch während ihrer gesamten Karriere ihre Konzerttätigkeit. Sie galt als eine der größten Liedersängerinnen ihrer Generation, dazu war sie eine bedeutende Bach- und Händel-Interpretin. Ihre Konzerte und Liederabende waren jahrelang Höhepunkte im deutschen wie im internationalen Musikleben. Noch 1951 trat sie in ihren Liederabenden vor das Publikum. Seit 1939 lebte sie in Kampen auf Sylt, nachdem sie mehrere Professuren an Musikhochschulen, die man ihr antrug, ausgeschlagen hatte. - Tiefe, hochmusikalische Altstimme, deren dunkler Bronzeton ebenso geschätzt wurde wie die Stilsicherheit und Ausdrucksfülle ihres Vortrages.
Schallplattenaufnahmen auf Pathé (wohl ihre ältesten Aufnahmen, vor 1914 entstanden), Odeon, Polydor (akustisch wie elektrisch gefertigte Aufnahmen), HMV (seit 1914; 1932 nochmals die Szene der Fricka aus der »Walküre«, während des Zweiten Weltkrieges Lieder unter dem Etikett von HMV-Electrola), DGG (Siemens Spezial); unveröffentlichte Edison- Platten.
[Nachtrag] Leisner, Emmy; wahrscheinlich fand ihr Operndebüt bereits 1911 am Hoftheater von Weimar als Erda im »Siegfried« statt. 1922-23 war sie an der Großen Volksoper in Berlin engagiert. Bei den Bayreuther Festspielen sang sie 1925 die Erda, die Waltraute und die 1. Norn im Nibelungenring. Sie gab bereits 1911 und 1912 (dann auch wieder 1921) Konzerte in Wien, 1922 in Oslo, 1928 an der Mailänder Scala, 1931 in Den Haag, 1931 und 1932 in London, 1939 in Florenz und Bologna (Hohe Messe von J.S. Bach), 1940 in Kopenhagen, 1919, 1921, 1930 und 1936 in Stockholm. 1913 nahm sie an einer großen Italien-Tournee (zusammen mit Georg A. Walter und A. van Eweyck) teil, bei der es zu Aufführungen der Matthäuspassion von J.S. Bach, u.a.in Mailand, Turin und Bologna, kam. - Ihre Schwester, Thyra Hagen- Leisner († 1938) war Sopranistin und wurde vor allem durch ihre Auftritte bei den Göttinger Händel- Festspielen bekannt. Dort sang sie 1920 die Titelrolle in der Händel-Oper »Rodelinda«, die sie bei den Festspielen von 1924 wiederholte und dazu die Romilda in »Xerxes« von Händel übernahm. Sie war seit 1914 mit Professor Oskar Hagen verheiratet, auf dessen Anregung die Göttinger Händel-Festspiele zurückgingen.
[Lexikon: Leisner, Emmy. Kutsch/Riemens: Sängerlexikon, S. 14132 (vgl. Sängerlex. Bd. 3, S. 2038 ff.) (c) Verlag K.G. Saur]
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Emmi Leisner, Verlag Hermann Leiser Nr. 1982 |
Über
Tino Pattiera und
Alfred Piccaver, die beide ziemlich bekannt sind, schreibe ich heute nicht ausführlicher.
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Tino Pattiera, Verlag Hermann Leiser 6622 |
Als letztes geht es um den Bariton
Helge (Igor) Lindberg. Das Sängerlexikon schreibt:
Lindberg, Helge, Bariton, * 1.10.1887 Helsinki, † 3.1.1928 Wien; er studierte zuerst Violinspiel am Konservatorium von Helsinki, ging aber 1907 zur Ausbildung seiner Stimme nach München, wo er Schüler von Schinkel war. Abschluß seiner Gesangsausbildung in Florenz. Er wurde bekannt als Sänger und als Pädagoge und wirkte zuerst in Stuttgart (wo er auch in Opern auftrat), dann seit 1919 in Wien. Seine Konzertreisen führten ihn durch ganz Europa (Skandinavische Länder, Frankreich, England, Deutschland), wobei er sich vor allem als hervorragender Bach- und Händel-Interpret erwies. Seine Bedeutung liegt jedoch in erster Linie darin, daß er in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg das weithin unbekannte Liedschaffen des finnischen Komponisten Yrjö Kilpinen in zahlreichen Liederabenden zum Vortrag brachte.
Seine Stimme ist durch akustische Polydor-Aufnahmen aus den Jahren 1924-25 überliefert.
[Nachtrag] Lindberg, Helge; er gab regelmäßig Konzerte in den deutschen Großstädten; u.a. in München, Köln, Frankfurt a.M., Hannover, Bremen und Berlin, auch in Budapest aufgetreten. - Weitere Schallplattenaufnahmen auf Polyphon.
[Lexikon: Lindberg, Helge. Kutsch/Riemens: Sängerlexikon, S. 14422 (vgl. Sängerlex. Bd. 3, S. 2078 ff.) (c) Verlag K.G. Saur]
Die meisten Bilder zum Thema Helge Lindberg im Internet beziehen sich auf den Leiter eines Tanzorchesters gleichen Namens, der von 1898 bis 1973 lebte. Das Bild unten zeigt aber den Bariton Helge Lindberg, der mit zweitem Namen Igor hieß und oben beschrieben ist. Er machte 1925 einige wenige Aufnahmen in der as/ar-Serie, die auf Nordisk Polyphon, Grammophon und später noch einmal nach seinem Tod 1928 auf dem elektrischen Grammophon-Etikett erschienen. 2008 as stammt aus meiner eigenen Sammlung und nicht aus der SLUB und passte gerade gut hier hinein. Sie erschien gekoppelt mit 2007 as.
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Helge Igor Lindberg 1917 |
The as-Project (7): as-recordings from the SLUB (1)
Hanna MÜLLER-RUDOLPH:
442 as - Tannhäuser: Dich teure Halle (Gram. 15975)
443 as- Elias: Höre, Israel 1. Teil (Mendelssohn) Gram. 15930
444 as - Elias: Höre, Israel 2. Teil (Mendelssohn) Gram. 15930
446 as - Lohengrin: Einsam in trüben Tagen (Gram. 15975)
Emmi LEISNER und Robert HUTT:548 as - Troubadour: In unsere Heimat (Gram. 72747)
Mafalda SALVATINI, Theodor SCHEIDL, Otto HELGERS, Desider ZADOR:
669 1/2 as - Maskenball : Ach, mit der Gattin nächtlich zu schwärmen (Gram. 65642)
Mafalda SALVATINI, Robert HUTT, Theodor SCHEIDL:
671 1/2 as - Troubadour: Wilde Eifersucht im Herzen (Gram. 65642)
Delia REINHARDT:
849 3/4 as Freischütz: Leise, leise, fromme Weise (Gram. 72834)
851 as - Lohengrin: Einsam in trüben Tagen (Gram. 72775)
852 as - Freischütz: Und ob die Wolke (Gram. 72834)
853 as - Boheme: Man nennt mich nur Mimi (Gr. 72788)
Josef GROENEN:
944 as - Dinorah: Dich rächet meine Reue (Gram. 65721)
1031 as - Bajazzo Prolog (Gram. 65721)
Emil FISCHER:1047 as - Jahreszeiten: Schon eilet froh der Ackersmann (Haydn) Gram. 19088
1048 as - Jahreszeiten: Nun scheint in vollem Glanze der Himme (Haydn) Gram. 19088
Emmi LEISNER:1068 as - Ave Maria (Schubert) 72838
1073 as - Wo du hingehst (Becker) 72838
1403 as - Pieta Signore (Stradella) Gram. 65777
1404 as - Largo (Händel) Gram. 65777
Tino PATTIERA:1369 as - Gioconda: Cielo e mar (Gram. 72877)
1373 as - Don Sebastiano: In terra solo (Donizetti, Gram. 72877)
Alfred PICCAVER:1378 as - Meistersinger: Preislied B 22172, 72883
1379 as - Meistersinger: Am stillen Herd B 22173, 72883
1390 1/2 as - Bajazzo: No, Pagliaccio non son (Gram. 72882)
1416 as -Madame Butterfly: Addio florito asilo(Gram. 72882)
Helge (Igor) LINDBERG:2007 as - Der Wanderer (Schubert) Polyphon ZS 62028
2008 as - Die Allmacht (Schubert) Gram. 19794
2070 as - Froh lacht die Brust in mir (Händel) Polyphon ZS 62028
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Alfred Piccaver privat vor Aktgemälde |
Above you find 27 recordings from the as-series (and one, 2008 as, from my own collection). They come from the SLUB, the Dresden Library of the Saxon University. You can listen to and download there 18.000 shellac sides in low resolution MP3 (160 kB/s or even 64 kB/s mono) and use them free for educational and cultural purposes. I have seached through the whole stock two years ago and downloaded a lot. Here is the first fruit of this exhaustive work.
Additional informations and photos are always welcome, especially in the case of Hanna Müller-Rudolph or Emil Fischer from Weimar.